Die Freien Demokraten haben es wieder einmal geschafft. Sie sitzen wieder im Bundestag. Was sie dort sollen, ist mir ein Rätsel. Was sie dort wollen, ist mir ziemlich klar. Sie wollen uns alle befreien.
Aber was für eine Freiheit ist das, mit der wir jetzt beglückt werden sollen? Für welche Freiheit steht die FDP? Die Antwort darauf fällt nicht schwer: bei Lichte betrachtet für gar keine. Die FDP verhält sich zur Freiheit ungefähr so, wie ein Puff zur Liebe. Genauso wenig wie ein Puff die Liebe fördert, setzt sich die FDP wirklich für die Freiheit ein. Die Partei reklamiert zwar den Begriff der Freiheit für sich. Sie hat ihn aber gekapert und bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. Sie hat ihn ausgehöhlt, seines innersten Kerns beraubt. Unter ihr verkommt die Freiheit zu einer leeren Hülle, zu einer reinen Fassade, die in Wirklichkeit der Unfreiheit Tür und Tor öffnet.
Freiheit ist Selbstbestimmung, also das Gegenteil von Fremdbestimmung. In ihrem Bemühen um die Selbstbestimmung des Einzelnen hat die FDP den bösen Staat als Feind der Freiheit ausgemacht. In weniger demokratischen Staaten ist das sicher nicht von der Hand zu weisen. Das ist keine Frage. Der Staat kann auch eine Quelle der Unfreiheit sein, und viele Staaten in der Geschichte waren genau das und sind es auch noch heute. Nun leben wir aber in einer Demokratie, die sehr weitgehende Freiheitsrechte garantiert. Und trotzdem glauben die Freien Demokraten, der Staat, der letzten Endes die ganze Gesellschaft repräsentiert, pfusche den Einzelnen zu viel ins Leben.
Was sie dabei nicht sehen oder nicht sehen wollen: die Freiheit hat viele Feinde. Nicht nur den Staat. Fremdbestimmung gibt es nicht nur aufgrund staatlicher Macht. Sondern beispielsweise auch aufgrund ökonomischer Macht. Genau hier liegt aber das Problem. Für diesen Feind der Freiheit ist die FDP nämlich blind. Vor ihm verschließt sie sämtliche Augen und Hühneraugen. Ökonomische Macht als Quelle von Fremdbestimmung und Unfreiheit spielt für die sogenannten Freien Demokraten keine Rolle. Sie wollen die staatliche Machtausübung, die in einer Demokratie immerhin einigermaßen legitim ist, beschneiden und haben kein Problem damit, sie durch eine ökonomische Machtausübung, die sich jeder demokratischen Kontrolle entzieht, zu ersetzen. Was das mit Freiheit zu tun haben soll, erschließt sich mir in keiner Weise. Da muss man das Hirn schon sehr auf Sparflamme betreiben, um das mit echter Freiheit und Selbstbestimmung zu verwechseln.
Was die FDP mit Freiheit meint, hat mehr mit Vogelfreiheit zu tun als mit irgendetwas anderem. Als Vögel haben wir bei der FDP immerhin noch ein Recht auf Leben, auf Eigentum und darauf, Verträge zu schließen. Ansonsten sind wir auf uns selbst gestellt, müssen für uns selbst sorgen und uns im Wettstreit mit den anderen Vögeln behaupten. Aber sind wir deshalb frei? Wenn uns ein größerer und stärkerer Vogel vom Futterhäuschen vertreibt, können wir dann irgendetwas tun? Wir ziehen den Kürzeren und müssen dem anderen beim Verschlingen des Futters zuschauen.
Die FDP hält das für Freiheit. Aber das ist es nicht. Es ist keine Freiheit. Die Abwesenheit staatlicher Regeln führt nicht zur Freiheit. Das Resultat ist ein Zustand, der nur noch das Etikett „Freiheit“ trägt. Aber wer den Schleier lüftet, stellt fest: darunter stinkt es ganz gewaltig. Echte Freiheit verhält sich zum Freiheitsbegriff der FDP wie ein Goldschatz zu einem Misthaufen.
Der Mensch ist noch lange nicht frei, wenn die staatliche Fremdbestimmung fällt. Denn die ökonomische Fremdbestimmung springt dankbar in die Bresche, um die Lücke zu füllen, die der Staat hinterlässt, und macht es sich darin ganz gemütlich. Das demokratisch verfasste Gemeinwesen ist das Einzige, das die Freiheit des Menschen schützen kann. Das die Fremdbestimmung durch staatliche und ökonomische Machtausübung minimieren und den Grad der Selbstbestimmung für jeden Einzelnen maximieren kann. Deshalb müssen wir das demokratische Gemeinwesen stärken wo wir nur können, und es verteidigen gegen jene, die es im Namen einer sogenannten „Freiheit“ zurechtstutzen wollen.