Vor fast dreißig Jahren, im Jahr 1993, habe ich für den Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) eine Broschüre zum Thema Energiesparen und erneuerbare Energien verfasst. Vor dem Hintergrund von Fridays for future habe ich diese Broschüre noch einmal aus dem Regal gezogen und mir zu Gemüte geführt. Sie zeigt auf frappierende Weise, dass wir heute im wesentlichen über die gleichen Umweltprobleme diskutieren und debattieren wie damals. Abgesehen von ein paar mühsam erkämpften Fortschritten, vor allem beim Schutz der Ozonschicht, hat sich im Vergleich zu damals nicht wirklich viel verändert. Die meisten Probleme wurden erfolgreich verschleppt und vertagt, allen voran der Klimawandel. Ich finde es ganz aufschlussreich, den alten Text heute noch einmal zu lesen, weshalb ich hier das Vorwort zu der Broschüre wiedergeben möchte. Damals hatte ich folgendes geschrieben:
Mögen Sie Kinder?
Hast Du einmal darüber nachgedacht, dass es Wichtigeres gibt als Geld, \ und Dir Sorgen gemacht über den Zustand unserer Welt?
Gedicht eines zwölfjährigen Kindes
„Die Mietsache ist schonend zu behandeln!“ – diesen Satz habe ich kürzlich auf einem Plakat gelesen, das unseren herrlich blauen Planeten vom Weltraum aus gezeigt hat. Die Erde als ein von uns nur gemietetes Haus, das an die Nachmieter, unsere Kinder, in einem bewohnbaren Zustand zu übergeben ist – wer würde diesem Bild nicht zustimmen?
Doch wenn es so weitergeht wie heute, dann sieht es nicht gut aus für unsere Nachmieter. All die Milliarden Tonnen Abgase, Abwässer, Müll und Beton, die wir Jahr für Jahr auf diesen Planeten loslassen, können nicht ohne Folgen bleiben. Angesichts zunehmender Landschaftszerstörung und Umweltverschmutzung werden immer öfter Eltern von ihren Kindern gefragt, wie es eigentlich auf der Erde mal aussehen wird, wenn sie erwachsen sein werden. Genau wie wir, haben auch unsere Kinder einen Anspruch auf saubere Luft, reines Wasser und giftfreie Böden, auf intakte Landschaften und ein erträgliches Klima. Doch dies alles gefährden wir durch unsere umweltbedrohende Lebensweise, und wir werden uns später nicht damit rausreden können, wir hätten von nichts gewusst. Wir wissen sehr genau Bescheid über Bodenversauerung und Grundwasservergiftung, über Müllberge und Naturzerstörung, über Ozonloch, Luftverschmutzung und Teibhauseffekt. Ständig wird in den […] Medien über Umweltprobleme berichtet; die Fakten liegen schon lange auf dem Tisch. Wenn wir nicht stumm dastehen wollen, wenn unsere Kinder einmal fragen, was wir für die Erhaltung einer gesunden Welt getan haben, dann müssen wir endlich handeln, anstatt über Umweltschutz immer nur zu reden.
Dies betrifft beispielsweise einen umweltschonenden Umgang mit Energie […]. Gewinnung, Transport, Umwandlung und Endnutzung unserer heutigen Hauptenergieträger – Öl, Gas, Kohle und Uran – führen zur Vernichtung ganzer Landschaften und zu enormen Umweltverschmutzungen. Die Emission von etlichen Milliarden Tonnen Schadstoffen und Giften führen über Luft, Böden und Gewässer auch zu gesundheitlichen Schäden bei uns Menschen. Ob Braunkohletagebau oder Öltankerunfälle, ob Atommüll oder Treibhauseffekt: die Menschheit befindet sich in Sachen Energie auf einem sehr gefährlichen und am Ende sehr teuren Weg.
Die Hauptverantwortung für diese Umweltschäden und ihre Folgekosten tragen dabei wir, die Bewohner der Industrieländer, wo 20 Prozent der Weltbevölkerung 80 Prozent der Weltenergie und -rohstoffe verbrauchen. Beispiel Verkehr: allein in einem Bundesland wie Nordrhein-Westfalen sind mehr Autos angemeldet als auf dem gesamten afrikanischen Kontinent. Und wenn alle Menschen so viel Erdöl verbrauchen würden wie wir, eine im Überfluss lebende Minderheit, dann wären nach Angaben der UNO die gesamten Welterdölvorräte in nur viereinhalb Jahren aufgebraucht! Solange wir an unserem verschwenderischen Lebensstil festhalten, ist es das gute Recht der „restlichen“ 80 Prozent der Weltbevölkerung, die gleiche Lebensweise anzustreben. Dass das nicht gutgehen kann, liegt auf der Hand!
So wie bisher geht es einfach nicht mehr weiter, an dieser Tatsache führt kein Weg vorbei. Wenn wir den Ärmsten dieser Erde nicht das Recht absprechen wollen, ihren Energieverbrauch auf ein vernünftiges Maß anzuheben, dann müssen wir unseren Verbrauch auf ein ebensolches vernünftiges Maß reduzieren. Künftig müssen die Einsparung von Energie sowie die Nutzung regenerativer, das heißt erneuerbarer Energien wie Sonne und Wind mit allem Nachdruck verfolgt werden. Mindestens 50 bis 70 Prozent unseres heutigen Energieverbrauches könnten eingespart werden [durch energieeffiziente Technik, Anm. d. Autors]. Der Rest ließe sich mehr und mehr durch erneuerbare Energien ersetzen.
Gegen diese Kurskorrektur in Richtung Energieeinsparung und erneuerbare Energien wird häufig eingewendet, dass sich so etwas nicht rechnen würde. Tatsache ist aber, dass die Kosten für Energiesparmaßnahmen wie zum Beispiel Energiesparlampen, Wärmedämmung, Brennwertheizkessel und weitere, praktisch immer durch die eingesparten Energiekosten wieder hereingeholt werden. Für die Nutzung von Sonne, Wind & Co. trifft dies in vielen Fällen ebenfalls zu. In den Fällen, in denen heute eine Betriebswirtschaftlichkeit der erneuerbaren Energien noch nicht gegeben ist, kann sich das künftig mit steigenden Energiepreisen völlig ändern. Zudem kann man auch heute schon von einer vorsorgenden Wirtschaftlichkeit in dem Sinne sprechen, als wir mit der Nutzung erneuerbarer Energien den Menschen von morgen unberechenbare Folgekosten aufgrund von Klimaveränderungen und anderen Schäden an Umwelt und Gesundheit von vornherein ersparen. Die Erneuerbaren sind also am Ende wirtschaftlicher als die heutigen Hauptenergieträger, die horrende Kosten verursachen, die in den derzeitigen Preisen nicht enthalten sind. Eine Solar- oder Windanlage rechnet sich auf diese Weise jedenfalls eher als ein Zweitwagen, ein Zweiturlaub oder andere Dinge, für die bereitwillig viel Geld ausgegeben wird. Der Einsatz erneuerbarer Energien ist eine gut angelegte Investition in unsere ökologische und wirtschaftliche Zukunft: die Zukunft unserer Kinder.
Also: worauf warten wir noch? Es ist Zeit zu handeln – nicht übermorgen, nicht morgen, sondern heute!
(Aus: Frank Schäfer, Eine saubere Sache – Energiesparen, Sonne und Wind, Herausgeber: Landesverband Rheinland-Pfalz im Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Osthofen, 1993).
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Soweit das Vorwort zu der Broschüre aus dem Jahr 1993. Wie der Text zeigt, war schon damals bekannt, welche technischen Möglichkeiten zur Verfügung stehen, um der Klimakrise zu begegnen. Trotzdem ist viel zu zögerlich und zu halbherzig gehandelt worden. Auch heute hört man noch den dümmlichen Spruch, wir müssten noch auf neue Techniken warten, und die Kinder sollten doch Freitags in die Schule gehen, um Ingenieure zu werden und die Rettung ihrer Welt selbst in die Hand zu nehmen. Mehr Ingenieure wären gut, und weitere technische Möglichkeiten, insbesondere zur Energiespeicherung, werden auch gebraucht. Aber die vorhandenen technischen Mittel sind bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Es fehlt nicht an Ingenieuren und technischen Lösungen, um jetzt aktiv zu werden. Es fehlt an Einsicht und am politischen Willen, wirksame Maßnahmen zur Begrenzung des Klimawandels zu ergreifen. Wenn die Politik damals entschlossen gehandelt hätte, wären wir heute im Kampf gegen den Klimawandel schon wesentlich weiter. Wertvolle Zeit wurde vertan und verschenkt. Die jungen Menschen, die heute zu Recht protestieren, dürfen sich nicht mehr länger vertrösten lassen. Sie müssen von den Erwachsenen ein wirksames Handeln einfordern, statt die Sache weiter auf die lange Bank zu schieben. Und die Erwachsenen, die guten Willens sind, müssen sie darin unterstützen. Ohne massiven Druck wird sich hier gar nichts bewegen. Zu groß sind die Widerstände in der Politik und in Teilen der Bevölkerung, die am liebsten alles so lassen würden, wie es heute ist.