Worte

Worte sind geduldig. Worte sind noch keine Taten. Handlungen verändern die Welt, Worte allein verändern so gut wie nichts. Erst wenn Worte zu Handlungen werden, wenn sie Menschen dazu bringen, etwas zu tun, erst dann verändern sie die Welt.

Worte sind geduldig. Und der Mensch träge. Er kann große und hehre Worte von sich geben, er kann sagen, was jetzt unbedingt zu tun sei, und trotzdem danach die Beine hochlegen und alles so lassen, wie es ist. Oft denkt er, geredet sei schon so gut wie getan. Dabei ist reden nur der Anfang. Die ganze Arbeit, das Tun, kommt danach. Reden ist leicht, Tun ist schwer. Und weil der Mensch die Mühe oft scheut, belässt er es lieber beim Reden. Das ist viel bequemer. Er zieht das Reden, die Simulation des Handelns, dem tatsächlichen, wirklichen Handeln vor. Reden ist Silber, Aussitzen ist Gold.

Worte sind geduldig. Sie sind wie eine Modelliermasse, aus der man alles mögliche kneten und formen kann. Alle möglichen Vorstellungen, Theorien, Dogmen und Glaubenssätze, gänzlich unabhängig davon, ob sie wahr sind oder falsch. Man kann mit Worten Lügen basteln oder die Wahrheit zum Ausdruck bringen, ganz wie es gefällt. Und man kann mit ihnen nicht nur vortrefflich andere belügen, sondern auch und zu allererst sich selbst.

Worte sind geduldig. Ohne sie hat unser Handeln keine Struktur, keinen Grund, kein Ziel. Zumindest nicht jenseits animalischer Bedürfnisse. Zivilisiertes Handeln basiert auf Worten. Ohne Worte keine Zivilisation.

Worte sind geduldig. Sie warten darauf, dass sie zu Taten werden. Aber oft erfüllt sich ihr Schicksal nicht auf diese Weise. Viele Worte sind wie Samenkörner, aus denen nie eine Pflanze wächst. Und irgendwann ist ihre Zeit vorbei. Egal ob gedacht, gesprochen oder geschrieben, Worte sind nicht für die Ewigkeit gemacht. Sie halten nicht für immer. Irgendwann verschwinden sie im Dunkel der Vergangenheit. Weil sich unter den Nachgeborenen niemand mehr für die Welt der Vorgestrigen interessiert. Oder weil Zivilisationen untergehen und dabei all ihre Worte mit sich in den Abgrund reißen. Gut möglich, dass das Echo ihrer Worte noch immer irgendwo gefunden werden kann, in Form von Inschriften in Stein etwa, oder als Radiowellen, die sich im Kosmos verbreiten. Aber wenn man keinen Schlüssel findet, sie zu verstehen, ist ihr Sinn für immer verloren.

(Zur 26. Weltklimakonferenz in Glasgow – 26mal Worte, Worte, Worte, denen kein angemessenes Handeln folgt)