Der Nährboden, auf dem Vorurteile gedeihen

Das Gerede von der Lügenpresse macht deutlich: es gibt Menschen, für die alles eine Lüge ist, was nicht den eigenen vorgefassten Ansichten, aka Vorurteilen, entspricht. Das heißt nicht, dass alles richtig und objektiv wäre, was in den Medien veröffentlicht wird. Die gegenwärtigen Medien und ihre Macher kranken allgemein an einer fappierenden Distanzlosigkeit zu ihren eigenen Ansichten. Oft genug gerieren sie sich als Fahnenträger ihrer jeweiligen Lieblingsideologien, die alles, was in der Welt geschieht, durch ihre ideologische Brille betrachten und dann entsprechend darüber „berichten“. Aber gerade die sozialen Netzwerke, in denen oft der Vorwurf der Lügenpresse erhoben wird, leiden noch viel mehr unter dieser Krankheit. Sie frönen einer noch ungehemmteren Distanzlosigkeit zu ihren eigenen Ansichten als die von ihnen gehassten Medien.

Vorurteile und ideologische Ansichten sind weit verbreitet, gerade in den sozialen Netzwerken. Was kann man dagegen tun? Vorurteile basieren auf Unkenntnis. Ideologische Ansichten, bei denen es sich letzten Endes um so etwas wie übersteigerte, festgefahrene Vorurteile auf Ebene der Welterklärung handelt, ebenfalls. Unkenntnis ist der Nährboden, auf dem diese Krankheiten wachsen und gedeihen. Was an Kenntnis fehlt, wird ersetzt durch phantasierte Ansichten und Vorstellungen. Wer mit der Welt vertraut ist, muss seine Kenntnislücken nicht mit Vorurteilen und ideologischen Vorstellungen füllen. Wer einen Menschen kennt, der braucht keine Vorurteile über ihn. Deshalb ist das wirksamste Mittel gegen Vorurteile, die Welt und die Menschen kennenzulernen. Sich ein eigenes Bild zu machen, aus erster Hand, durch eigene Erfahrung.

Miteinander zu reden ist eine gute Medizin. Dabei wird man oft genug feststellen, dass die Welt und die Menschen ganz anders sind, als unsere Vorstellungen über sie uns weismachen wollten. Dann sehen wir vielleicht nicht mehr in jedem Reichen einen Unmenschen, sondern statt dessen in Menschen, die egoistisch nur den eigenen Vorteil suchen (egal ob oben oder unten). Man hält dann Arbeitslose nicht mehr für Faulenzer, sondern erkennt in einer faulen Haltung das Problem (egal ob unten oder oben). Dann wird ein Mensch, der vor Not und Gefahr geflohen ist, nicht mehr als gefährlich angesehen, sondern einer, der die Gesetze bricht (egal ob mit inländischen oder ausländischen Wurzeln).

Natürlich kann es auch sein, dass man im Einzelfall die Vorurteile bestätigt findet. Es gibt auch Arschlöcher auf der Welt, die genauso sind, wie wir uns Arschlöcher vorstellen. Aber nur weil es Arschlöcher gibt, heißt das noch lange nicht, dass alle Menschen welche sind. Auch nicht die einer bestimmten Gruppe. Und wer weiß? Vielleicht stellt sich bei dem Unterfangen, die Welt und die Menschen von Angesicht zu Angesicht kennenzulernen, ja heraus, dass man selbst jahrelang ein kleines oder ein großes Arschloch gewesen ist. Das wäre dann ein erster, wichtiger Schritt auf dem Weg zur Besserung.