Freier Markt und ökonomischer Darwinismus

Thesen

  • Der freie Markt ist bestimmt durch Angebot und Nachfrage
  • Außer dem Recht auf Freiheit, dem Recht auf Eigentum und dem Recht, Verträge zu schließen, werden weitergehende Regulierungen abgelehnt. In Verträgen können Rechte für die Vertragsdauer oder sogar darüber hinaus abgetreten werden.
  • Die Angebote auf dem Markt sind nicht statisch, sondern unterliegen Veränderungen durch die Anbieter
  • Die Veränderungen können sowohl stetig (graduell) als auch sprunghaft (disruptiv) erfolgen
  • Anbieter, die ihre Angebote besser an die Nachfrage anpassen, sind erfolgreicher als andere
  • Die weniger erfolgreichen Anbieter stehen unter Druck, sich ebenfalls anzupassen. Wenn das nicht gelingt (z. B. aus Mangel an Ressorcen (Geld, Wissen, …) oder aufgrund von Fehleinschätzungen) droht ihnen der Abstieg, in günstigen Fällen in ein Nischendasein, im schlimmsten Fall in das ökonomische Aus.
  • Der Wettbewerb der Anbieter führt zu einem ökonomischen surviving of the fittest, zu einem ökonomischen Überleben des am besten Angepassten
  • Auf diese Weise findet eine Entwicklung statt. Der freie Markt ist ein evolutionäres System, das sich durch die Veränderung (Variation) des Angebots weiterentwickelt. Die Nachfrage übernimmt dabei die Rolle einer Auslese, die auf die Angebote einen Selektionsdruck ausübt.
  • Die Evolutionsprinzipien von Variation und Selektion spiegeln sich in den Marktprinzipien wider: Nachfrage = Selektion, Veränderung des Angebots = Variation
  • Die Variation ist der Motor der Entwicklung, die Selektion das Steuerrad, das die Richtung der Entwicklung bestimmt
  • Die Nachfrage ist nicht statisch, sie verändert sich ebenfalls. Das entspricht der biologischen Evolution, in der sich nicht nur Organismen einer Spezies verändern, sondern auch die Umweltbedingungen (klimatische Faktoren, Verfügbarkeit an Nahrung, Druck durch Beutegreifer, etc.) und damit die Selektion.
  • Die Forderung nach einem freien Markt entspringt einem (bewussten oder unbewussten) ökonomischen Darwinismus
  • Weil das Ökonomische ein Teil des Sozialen ist, ist jeglicher ökonomische Darwinismus auch eine Form von Sozialdarwinismus
  • Es gibt verschiedene Formen von Sozialdarwinismen. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass darwinistische Prinzipien (Entwicklung durch Variation und Selektion) auf Aspekte des Sozialen angewendet werden.
  • Für einen Sozialdarwinismus ist es nicht entscheidend, ob darwinistische Prinzipien auf alle sozialen Bereiche angewendet werden. Das wäre eine zu eingeschränkte Sichtweise. Es genügt, wenn darwinistische Prinzipien für einen sozialen Bereich gefordert werden, um von einem Sozialdarwinismus zu sprechen.
  • Es ist nicht angebracht, den freien Markt als eine Ausprägung eines milden Sozialdarwinismus zu betrachten: der freie Markt führt zu Krankheit und zum frühzeitigen Tod von Menschen, die sich keine angemessene Bildung, Nahrung, Wohnung und Gesundheitsversorgung auf dem Markt leisten können. Die Ablehnung von Regulierungen zum Arbeits-, Umwelt- und Verbraucherschutz führt ebenfalls zur Schädigung der Gesundheit von Menschen.
  • Analog zur biologischen Evolution führt der freie Markt zu einer Entwicklung. Er baut etwas auf, er organisiert ganze Wirtschaften, aber er tut das zu einem unmenschlichen Preis. Wie in der biologischen Evolution viele Lebewesen als Verlierer auf der Strecke bleiben, passiert genau das auch auf dem freien Markt.
  • Die Veränderungen auf dem freien Markt wie in der biologischen Evolution sind bisweilen disruptiv. Das führt zu ganzen Artensterben in der Biologie, beziehungsweise zum Sterben ganzer Wirtschaftszweige im Falle des Marktes.
  • Aus den Trümmern heraus blühen die Systeme zwar wieder auf, und es ensteht etwas Neues. Manche Ökonomen sprechen auch vom Prinzip der schöpferischen Zerstörung. Dabei ignorieren sie jedoch, dass es bei dieser Zerstörung auch um das Wohlergehen, die Gesundheit und das Leben von Menschen geht, oder sie halten es nicht für wichtig.
  • Statt die Freiheit des Marktes wie ein goldenes Kalb anzubeten, sollten wir auf eine entschiedene, von Vernunft und Menschlichkeit geleitete Regulierung des Marktes setzen, um dafür zu sorgen, dass seine wilden Kräfte gezähmt werden und allen Menschen zugute kommen
  • Es braucht starke, demokratisch organisierte Gemeinschaften, die einerseits jedem Individuum weitestmögliche Freiheitsrechte garantieren und andererseits dafür sorgen, dass jeder in angemessener Weise am Wirtschaftserfolg teilhat und ein menschenwürdiges Leben führen kann
  • Die Gemeinschaften müssen bei der Regulierung der Märkte weltweit zusammenarbeiten, anstatt sich mit unterschiedlichen Regulierungen gegenseitig Konkurrenz zu machen