Wenn es den Homo sapiens, den weisen, einsichtigen Menschen, wirklich gäbe, dann wäre die Welt eine ganz andere. Daran kann gar kein Zweifel bestehen. Der Homo sapiens würde zum Beispiel Konflikte friedlich lösen. Er würde auf Konfliktparteien mäßigend einwirken und Konflikte entschärfen, anstatt sie zusätzlich anzuheizen und zu befeuern. Er würde dafür sorgen, dass ein Ausgleich zwischen verschiedenen Positionen geschaffen wird. Er würde auf ein Win-win aller hinwirken, damit sich keiner benachteiligt oder übergangen fühlen kann.
Der Homo sapiens würde sich um eine gemeinsame, gegenseitige Sicherheit aller Staaten bemühen. Er würde wissen, dass Sicherheit unteilbar ist. Dass sie das Atomos, das Unteilbare der internationalen Politik ist. Denn es gibt entweder Sicherheit für alle, oder es gibt Sicherheit für keinen.
Natürlich wäre der Homo sapiens kein Dummerjan, der immer und überall und ausschließlich an das Gute im Menschen glaubt. Er würde wissen, dass es im Menschen nicht nur Gutes, sondern auch Schlechtes gibt, und dass es immer wieder nach außen brechen kann. Deshalb würde er sich auch auf diesen Fall angemessen vorbereiten. Es wäre ihm klar, dass es dumm und fahrlässig wäre, diese Gefahr gänzlich zu ignorieren.
Solche Gefahren im Auge zu behalten, wäre aber nur eine Nebenbeschäftigung für den Homo sapiens. Sein Hauptanliegen wäre, mit allen Seiten zu kooperieren — zum Wohl der ganzen Menschheit. Er würde weltweit zusammenarbeiten, um die Situation der Menschen auf der ganzen Welt zu verbessern. Die Kooperation wäre die entscheidende Grundlage für das globale Zusammenleben. Darüber hinaus wäre auch Konkurrenz erlaubt, aber der Homo sapiens würde dafür sorgen, dass sie gezähmt und moderiert wird. Er würde der Konkurrenz niemals erlauben, das globale Zusammenleben zu unterminieren.
Um die Zukunft der eigenen Nachfahren und die anderer Arten nicht zu zerstören, würde der Homo sapiens selbstverständlich nachhaltig leben. Alles andere wäre für ihn völlig undenkbar. Nachhaltigkeit ist das A und O für ein dauerhaftes Leben auf der Erde. Der Homo sapiens würde Ressourcen schonen, statt sie leichtfertig zu verschwenden. Nicht zuletzt würde er die Lebensrechte seiner Mitbewohner auf der Erde, der Tiere und Pflanzen, achten, anstatt nur sich selbst ein Lebens- und Existenzrecht zuzugestehen.
Das alles würde der Homo sapiens tun, wenn es ihn denn gäbe. Aber leider gibt es den Homo sapiens nicht. Statt dessen muss die Welt mit einem anderen Vertreter der Gattung Homo vorlieb nehmen. Dieser ist leider nicht das hellste Licht im Welttheater, weshalb man ihn mit einigem Recht auf den Namen Homo Knallkopf taufen kann. Obendrein ist er auch noch vom Egoismus zerfressen und verfolgt mit Vorliebe zu allererst seine eigenen Interessen. Statt auf ein Win-win aller hinzuwirken, ist er mit einem Win-Lose bereits sehr zufrieden. Er heizt Konflikte an und zündelt an politisch hoch explosiven Pulverfässern herum, wenn er darin einen Vorteil für sich selber sieht. Er teilt und spaltet die eine Menschheit, um zu herrschen und zu dominieren. Er sucht nur seine eigene Sicherheit zu stärken, auch wenn das die Sicherheit aller ruiniert.
Denn der Homo Knallkopf ist ein eingebildeter Dummerjan, der immer und überall und ausschließlich an das Schlechte im Menschen glaubt, außer natürlich in sich selbst. Das einzige Werkzeug, das er kennt, ist ein Hammer, und er sieht in allem einen Nagel, den er damit einschlagen muss. Vor Krieg und Gewalt schreckt er nicht zurück. Der Krieg ist für ihn etwas Legitimes, es sei denn, es ist der Krieg eines anderen. Seine eigenen Kriege sind für ihn nichts weiter als die ganz normale Fortsetzung der Politik mit dem Mittel der Gewalt, das selbstredend völlig gerecht und alternativlos ist. Mit dem gerechten Töten für eine gerechte Sache, die natürlich immer die Seine ist, kennt er sich bestens aus.
Wenn er mal keine Kriege führt, redet der Homo Knallkopf auch gerne von Kooperation. Doch bei der Auswahl seiner Partner ist er sehr wählerisch, und er schließt andere vorzugsweise aus. Statt zum Wohl aller Menschen zusammenzuarbeiten, betreibt er ökonomisch und politisch eine ruinöse Konkurrenz, die eher früher als später den ganzen Planeten an die Wand fahren wird.
Ein Lebensrecht anderer, nicht-menschlicher Erdbewohner kennt der Homo Knallkopf natürlich nicht — das versteht sich ja von selbst. Und auch die Zukunft seiner eigenen Kinder und Enkel bedeutet ihm nicht viel. Zwar gibt es manchmal Tage, an denen er gerne nachhaltig leben und seinen Nachfahren eine bewohnbare Welt hinterlassen würde, aber dann kommt doch wieder irgendetwas anderes dazwischen, das ihm gerade wichtiger erscheint. Macht nichts, denkt er sich, nachhaltig kann ich auch noch später werden. Auch wenn das bedeutet, dass es ein Später für ihn mangels Nachhaltigkeit gar nicht mehr geben wird. Diesen offensichtlichen Widerspruch hat er mit seinem Erbsenhirn noch immer nicht begriffen. So verzehrt er fröhlich weiter seinen eigenen Planeten, bis nicht mehr viel zum Leben übrig bleibt.
Manchmal träume ich davon, dass sich der Homo Knallkopf verwandelt, dass eine wunderbare Metamorphose geschieht, die aus dem dummen, brutalen Schläger, aus dem unersättlichen Vielfraß einen Homo sapiens macht. So, wie sich eine hässliche, gefräßige Raupe in einen schönen Schmetterling verwandelt. Für den Moment ist das leider nur ein Traum, aber auch Träume sind nicht ganz unmöglich. Auch sie können Wirklichkeit werden. Eines fernen Tages. Und vielleicht ist das sogar der normale Weg einer jeden Zivilisation in diesem Universum. Sie muss unweigerlich im rohen Naturzustand beginnen, um sich dann erst mühsam und unter großen Schmerzen zur Zivilisation hin zu entwickeln. Vielleicht werden auch die Bewohner der Erde diesen Weg noch gehen, wenn sie sich selbst nicht vorher auslöschen. Das ist zumindest meine große Hoffnung.
Vielleicht gehört die Erde aber auch zu jenen Planeten, die den Zustand der Zivilisation niemals erreichen, weil sich ihre Bewohner aus Angst, sie könnten nicht das größte Stück vom Kuchen bekommen, lieber auf ewig gegenseitig quälen. Statt einfach zusammen in einem Paradies zu leben.
Denn genau das ist die Erde: ein Paradies. Wer das nicht glaubt, der betrachte nur den Mond, den Mars, die Venus oder den Merkur. Die Erde ist ein Juwel unter den Planeten. Im Umkreis von etlichen Lichtjahren gibt es nichts Vergleichbares, geschweige denn Besseres. Wir sollten dem Schicksal dankbar sein, dass wir hier leben dürfen, ja: dass wir überhaupt leben dürfen.
Der Homo sapiens wäre darüber sehr glücklich und zufrieden, während der Homo Knallkopf es noch nicht einmal bemerkt. Er nimmt in seiner völligen Beschränktheit das Besondere, das Außergewöhnliche der Erde für selbstverständlich. Und verhält sich so, als wenn er sich jederzeit eine neue basteln könnte. Dass er das nicht kann, und dass eine freundliche Erde nichts Selbstverständliches ist, wird er noch schmerzhaft erfahren müssen. Leider wird er nur aus Schaden klug, nicht aus vernünftiger Überlegung. Er ist eben kein Homo sapiens. Wenn er Glück hat, wird sich das irgendwann noch einmal ändern, sofern er lange genug überlebt. Aber wann und ob überhaupt, das liegt allein an ihm.
Ich für meinen Teil wünsche ihm jedenfalls auf seiner weiteren Reise von Herzen alles Gute. Und das meine ich durchaus nicht ironisch. Ich meine es wirklich so. Ich wünsche dem einzigen Vertreter der Gattung Homo, den es noch gibt (und die Betonung liegt auf „noch“), dass er für seine Zukunft bessere Entscheidungen trifft als in der Vergangenheit. Vor allem wünsche ich ihm die Kraft, einzusehen, dass er selbst sein größter Feind ist, und nicht sein Gegenüber. Und dass er einen Weg findet, den Feind in sich selbst zu überwinden.
Und was wird er dann entdecken? Dass er selbst sein größter Freund sein kann, gemeinsam mit seinem Gegenüber. Wenn er dazu auch noch seinen Verstand zu nutzen lernt, dann, ja dann … dann kann seine glückliche Zeit als Homo sapiens vielleicht doch noch beginnen.