Goldene Zeiten

Wir leben in goldenen Zeiten. Um ganz genau zu sein: in einem goldenen Zeitalter der Dummheit.

Das schöne daran ist: ein goldenes Zeitalter der Dummheit kann auch ein goldenes Zeitalter der Philosophie sein. Denn nie ist es einfacher, etwas Klügeres zu denken, als in einer Zeit, in der dumme Gedanken Konjunktur haben.

Das Problem ist nur: denken kann man die klügeren Gedanken schon. Aber gegen die Flut der dummen Gedanken durchzudringen ist nach menschlichem Ermessen unmöglich. Man kann gegen den Strom aus Dummheit anschwimmen, aber seine Richtung ändern kann man nicht.

Nicht selten ist es auch so, dass man bei seinen Zeitgenossen nichts bewirkt, sondern erst in späteren Generationen. Dann ist das kluge Denken wie ein Setzling, der erst langsam zu einem Baum heranwachsen muss, bevor er Früchte trägt und seine Schößlinge verbreitet. Alles braucht seine Zeit. Leider auch und gerade eine Entwicklung zum Besseren. Eine Entwicklung zum Schlechteren ist oftmals wesentlich schneller zu haben.

Freilich gibt es in einem Zeitalter, in dem die Dummheit floriert, auch Einflüsse, die ein klügeres Denken behindern oder sogar unmöglich machen. Denn wer von fremden Gedanken überflutet wird, kann auch leicht in ihnen ertrinken. Gedanken sind ansteckend, insbesondere, wenn sie uniform sind und omnipräsent. Auf die Klugheit der Gedanken kommt es dabei leider nicht im Geringsten an. Quantität schlägt Qualität.

Wer in eine Zeit voller dummer Gedanken hineingeboren wird, hat es am allerschwersten. In den meisten Fällen bleibt dem unbedarften Individuum nichts anderes übrig, als die Dummheiten schlicht zu übernehmen. Das Denken von etwas grundsätzlich Anderem als dem, was man aus dem Umfeld kennt, in dem man schon von klein auf mental gebadet wurde, kann nur schwer aus sich allein heraus entstehen. Es braucht einen zündenden Impuls, der oft von außen kommen muss. Er kann auch von innen kommen, aber das ist schon ziemlich selten (tatsächlich muss die erste abweichende Idee in einer Gesellschaft bei einem Individuum originär von innen kommen; es können auch mehrere Funken sein, die an verschiedenen Orten und in verschiedenen Individuen unabhängig voneinander entstehen, zumal bei einer großen Population). Denken ist letztlich auch und vor allem eine Gemeinschaftsleistung. Es ist kein Werk, das in völliger Isolation von den Gedanken anderer geschieht. Es wird im Guten wie im Schlechten von anderen beeinflusst.

Nicht zuletzt bestehen Gedanken nicht unabhängig von unseren Gefühlen. Gefühle machen Gedanken, und Gedanken machen Gefühle. In einer Welt schlechter Gefühle wie Wut und Hass entstehen auch schlechte Gedanken, und umgekehrt. Sie können sich sogar gegenseitig aufschaukeln. So können schlechte Gefühle zu schlechten Gedanken führen, die wiederum noch schlechtere Gefühle machen, und so weiter.

So sind auch dumme Gedanken mit Gefühlen verbunden, etwa mit einem Gefühl der Wut, der Überlegenheit, oder schlicht mit dem Gefühl, dass ein Gedanke richtig ist. Wer dumme Gedanken bekämpfen will, darf deshalb die damit verbundenen Gefühle nicht außer Acht lassen.