Mir wird in der letzten Zeit zu viel von Krieg geredet — und zu wenig vom Frieden. Es wird uns eingebleut, wir müssten kriegstüchtig werden, und in manchen Phantasmagorien ist der kommende Krieg schon unvermeidlich, ja geradezu alternativlos. Um das Kommende besser durchzustehen, sollen wir resilient werden. Noch wird es nicht ausgesprochen, aber zwischen den Zeilen wird klar: wir sollen uns auf Entbehrungen, auf Hunger, auf den Tod unserer Söhne und Töchter, unserer Männer und Frauen einstellen. Wir sollen uns an Krieg gewöhnen. Wir sollen es ganz normal finden, dass unsere Demokratie in der ganzen Welt, und bald auch auf dem Mond und auf dem Mars verteidigt werden muss. Krieg als Mittel der Politik muss wieder etwas Normales werden. Wir müssen unsere falschen Befindlichkeiten ablegen. Wir müssen wieder bereit sein, „Verantwortung“ in der Welt zu übernehmen, uns in der Welt zu „engagieren“.
Man kann gar nicht so viel essen, wie man erbrechen möchte, wenn man solche Sprüche hört. In Bezug auf den Krieg gibt es nur eine Art von Tüchtigkeit, nämlich die Tüchtigkeit, den Krieg zu verhindern. Wahre Kriegstüchtigkeit besteht darin, den Krieg zu vermeiden, und zwar nicht durch eine Bewaffnung bis an die Zähne, durch bloße Abschreckung. Sondern durch die Schaffung einer gemeinsamen Sicherheit für alle, durch eine Politik des Aufeinanderzugehens, durch eine Beendigung der ständigen Konfrontationen.
Die Falken, die sich jetzt im Aufwind befinden und unser aller Schicksal bestimmen wollen, können so etwas freilich nicht verstehen. Denn sie sehen sich immer in einem höheren Recht. Eine gleichberechtigte Welt kommt für sie nicht in Frage. Für sie ist die Weltgeschichte ein großes Geben und Nehmen, in dem der Überlegene nehmen darf und der Unterlegene geben muss. Das ist die natürliche darwinistische Ordnung. Man kann auch sagen: die regelbasierte Ordnung der Starken, die den Schwachen die Regeln diktieren. Die Falken kennen kein Win-Win mit den Mäusen, sondern nur ein Win-Lose. Warum sollte man auch den Gewinn mit anderen teilen, wenn man ihn, und sei es durch Einschüchterung, Erpressung oder Gewalt, ganz für sich alleine haben kann?
Für die Falken ist deshalb der Krieg ein ganz normales Mittel zur Durchsetzung von Politik. Speak softly and carry a big stick, sprich sanft und trage einen großen Knüppel. Und habe keine Hemmungen, ihn auch zu benutzen. Wo gehobelt wird, da fallen nunmal Späne. Auch wenn die Späne aus zerschmetterten menschlichen Leibern bestehen, mit denen die Erde der Kontinente gedüngt wird. Das Leben der anderen ist ein geringer Preis, den man gerne bereit ist zu zahlen. Das gilt auch für die eigenen Leute, deren Leben ebenfalls nicht viel zählt. Nicht umsonst hat man die meisten Falken noch nie in einem Schützengraben zu Gesicht bekommen, mittendrin im tödlichen Hagel der Granaten. Sie sind die, die den Krieg zwar wollen, die den Krieg ausrufen, aber selbst nie hingehen. Während sie andere in das Grauen schicken, bleiben sie selbst lieber vornehm zurück. Und ihre wohlerzogenen Kinder auch. Der alte Spruch „Stell dir vor, es ist Krieg und keiner geht hin“ trifft auf diese ehrenwerte Sippschaft tatsächlich zu, wenn auch in einer absolut menschenverachtenden, zynischen Wendung.
Wer Frieden will, muss die Falken wieder zurück in den Käfig sperren. Wer die Herrschaft des internationalen Rechts will, muss das gleiche tun. Die UN-Charta fordert von allen Staaten, ihre Konflikte durch friedliche Mittel, durch Konsultationen und Verhandlungen beizulegen. Nicht mit militärischer Gewalt oder deren Androhung. Nicht mit einem locker sitzenden Colt.
Militarismus ist nicht der Weg zum Frieden, sondern zu einer Welt permanenter Kriege, zum ewigen Krieg als perverser Umkehrung von Kants ewigem Frieden. Nach zwei Weltkriegen und unzähligen weiteren Gemetzeln müssen wir endlich einsehen: der Frieden selbst ist der Weg.