Ein Haus der guten Nachbarschaft

We were expected to destroy one another and ourselves collectively in the worst racial conflagration. Instead, we as a people chose the path of negotiation, compromise and peaceful settlement. Instead of hatred and revenge we chose reconciliation and nation-building.

Nelson Mandela

Was hier Nelson Mandela, einer der wirklich Großen der jüngeren Geschichte, in wenigen Worten zusammengefasst hat, war nicht nur wegweisend für Südafrika nach dem Ende der Apartheid (wie leicht hätte das Land in einem Blutbad aus Rache und Gewalt enden können!), sondern ist zugleich wegweisend für die ganze Menschheit: statt die Menschheit zu spalten und Menschen gegeneinander aufzuhetzen, statt Gräben und Mauern in den Köpfen und an den Grenzen zu errichten, sollten wir alles daran setzen, miteinander zu reden, zu verhandeln, Kompromisse zu schließen und Konflikte friedlich beizulegen. Nicht das Aufstellen von Maximalforderungen führt zu einem für alle Seiten akzeptablen Ergebnis, sondern die Fähigkeit zu Gesprächen auf Augenhöhe und die Bereitschaft zu Kompromissen. Dazu gehört auch, sich in die jeweils andere Seite hineinzuversetzen und Verständnis für ihre Beweggründe zu entwickeln, statt ihr einfach finstere Absichten zu unterstellen. Zwar mag es vereinzelt auch Akteure geben, die tatsächlich böse Pläne verfolgen, aber in den allermeisten Fällen ist das nicht so. Wenn wir uns selbst für die Guten und die anderen für die Bösen halten, sollte das immer ein Alarmzeichen sein und ein dringender Anlass, noch einmal grundlegend über unsere Selbstwahrnehmung und unsere Wahrnehmung der Gegenseite nachzudenken. Ein einfaches Gut-Böse-Schema entspricht selten der Realität. In den allermeisten Fällen ist es ein Zeichen für Selbstgerechtigkeit und ein Denken in Feindbildern.

Worauf es ankommt ist die ganze Menschheit. Nicht egoistische Partikularinteressen, sondern der ganze Planet mit all seinen Bewohnern muss an allererster Stelle stehen. Die Erde ist unser Haus, es ist das Haus aller Menschen. Leider muss man feststellen: es ist in einem miserablen Zustand. Es ist ein Haus der Selbstsucht, der Streitsucht und der Gewalt. Nach Jahrtausenden menschengemachten Leids ist es endlich an der Zeit, das grundlegend zu ändern. So wie bisher geht es nicht mehr weiter. Unser planetares Haus braucht dringend eine umfassende Sanierung. Es ist höchste Zeit, daraus ein Haus der guten Nachbarschaft zu bauen.

Ich sehe schon die Zyniker und selbsternannten Realisten vor mir, wie sie ihre Köpfe schütteln und herablassend lächeln über diese „naive Idee“. Aber wenn es nach solchen Leuten gehen würde, hätte es noch nie einen Fortschritt auf geistigem Gebiet gegeben, dann wären wir immer noch rechtlos und würden von einer kleinen Adelsclique beherrscht. Ich weiß sehr gut, dass ein weltumspannendes Haus der guten Nachbarschaft kein leichtes Ziel ist. Vielleicht ist es sogar das schwerste Ziel, das wir uns als Menschen setzen können. Noch unendlich viel schwerer als eine Reise zum Mars oder der Bau von Siedlungen im Weltall. Denn es ist ein Ziel, das von uns verlangt, über unseren eigenen Schatten zu springen. Es verlangt von uns, uns selbst zurückzunehmen. Auch einmal Fünfe gerade sein zu lassen und Kompromisse zu schließen. Das ist etwas, was vielen unendlich schwerfällt. Es ist eine Zumutung. Eine Mühsal. Aber es ist eine Mühsal, die notwendig ist, und die sich lohnt. Jeder Schritt, den wir auf das Ziel zu machen, lohnt sich, auch wenn wir es vielleicht niemals ganz erreichen werden. Und auch wenn uns Rückschläge wieder und wieder zurückwerfen: trotzdem dürfen wir in unserem Bemühen nicht nachlassen, müssen wir es wieder und wieder versuchen. Denn was wir damit gewinnen ist wohl das Größte, was wir als Menschen in dieser Welt erreichen können: ein Haus des Friedens und der guten Nachbarschaft für alle Menschen.

Freilich wird es ein Haus sein, das immer in Gefahr ist, denn die menschliche Natur bleibt immer zwiespältig. Sie hat immer gute und schlechte Seiten, in jedem einzelnen Menschen. Die guten Seiten zu fördern und zu nutzen, während die Schlechten kontrolliert werden — das wird eine niemals endende Aufgabe der ganzen Menschheit bleiben, solange sie existiert.

Worte

Worte sind geduldig. Worte sind noch keine Taten. Handlungen verändern die Welt, Worte allein verändern so gut wie nichts. Erst wenn Worte zu Handlungen werden, wenn sie Menschen dazu bringen, etwas zu tun, erst dann verändern sie die Welt.

Worte sind geduldig. Und der Mensch träge. Er kann große und hehre Worte von sich geben, er kann sagen, was jetzt unbedingt zu tun sei, und trotzdem danach die Beine hochlegen und alles so lassen, wie es ist. Oft denkt er, geredet sei schon so gut wie getan. Dabei ist reden nur der Anfang. Die ganze Arbeit, das Tun, kommt danach. Reden ist leicht, Tun ist schwer. Und weil der Mensch die Mühe oft scheut, belässt er es lieber beim Reden. Das ist viel bequemer. Er zieht das Reden, die Simulation des Handelns, dem tatsächlichen, wirklichen Handeln vor. Reden ist Silber, Aussitzen ist Gold.

Worte sind geduldig. Sie sind wie eine Modelliermasse, aus der man alles mögliche kneten und formen kann. Alle möglichen Vorstellungen, Theorien, Dogmen und Glaubenssätze, gänzlich unabhängig davon, ob sie wahr sind oder falsch. Man kann mit Worten Lügen basteln oder die Wahrheit zum Ausdruck bringen, ganz wie es gefällt. Und man kann mit ihnen nicht nur vortrefflich andere belügen, sondern auch und zu allererst sich selbst.

Worte sind geduldig. Ohne sie hat unser Handeln keine Struktur, keinen Grund, kein Ziel. Zumindest nicht jenseits animalischer Bedürfnisse. Zivilisiertes Handeln basiert auf Worten. Ohne Worte keine Zivilisation.

Worte sind geduldig. Sie warten darauf, dass sie zu Taten werden. Aber oft erfüllt sich ihr Schicksal nicht auf diese Weise. Viele Worte sind wie Samenkörner, aus denen nie eine Pflanze wächst. Und irgendwann ist ihre Zeit vorbei. Egal ob gedacht, gesprochen oder geschrieben, Worte sind nicht für die Ewigkeit gemacht. Sie halten nicht für immer. Irgendwann verschwinden sie im Dunkel der Vergangenheit. Weil sich unter den Nachgeborenen niemand mehr für die Welt der Vorgestrigen interessiert. Oder weil Zivilisationen untergehen und dabei all ihre Worte mit sich in den Abgrund reißen. Gut möglich, dass das Echo ihrer Worte noch immer irgendwo gefunden werden kann, in Form von Inschriften in Stein etwa, oder als Radiowellen, die sich im Kosmos verbreiten. Aber wenn man keinen Schlüssel findet, sie zu verstehen, ist ihr Sinn für immer verloren.

(Zur 26. Weltklimakonferenz in Glasgow – 26mal Worte, Worte, Worte, denen kein angemessenes Handeln folgt)

Neulich am Kiosk

A: Bla bla bla, bla bla, bla bla, bla bla bla, bla bla bla Qualitätsjournalismus bla bla, bla bla bla.

B: Hahahaaa, hahahaaa, hahaaaa, hahahaaa, hahahaaa, prust, grunz, hahahaaa, hahaaaa – Qualitätsjournalismus – hahahaaa, hahaaa – Oh je, keuch, der ist gut!

Ein falsches Versprechen

Neoliberalism is a form of social darwinism. Its promise is freedom. But the truth is: it’s the freedom of the strong, not of the weak.

In other words: All are free. But some are more.


Neoliberalismus ist eine Form von Sozialdarwinismus. Sein Versprechen ist Freiheit. Aber die Wahrheit ist: es ist die Freiheit der Starken, nicht der Schwachen.

Mit anderen Worten: Alle sind frei. Aber manche sind freier.

Irgendwann …

Es wird eine Zeit kommen, wo National-Stolz eben so angesehen wird, wie Eigenliebe und andere Eitelkeit; und Krieg als Schlägerei.

Rahel Levin Varnhagen

Mittelmaß mit System

Wieder ein schönes Beispiel für den bedauernswerten Zustand der „Qualitätsmedien“ in Deutschland. Gestern rauschte eine Mitteilung des Bundesgesundheitsministeriums durch den Blätterwald, wonach von etwa 8 Millionen Menschen mit einer Zweitimpfung gegen das Coronavirus etwa 13.000 Menschen trotz Impfung positiv auf das Virus getestet wurden. Das entspreche einem Anteil von 0,16 Prozent, hieß es dabei.

Der Anteil von 0,16 Prozent ist zwar richtig, aber leider auch genauso nichtssagend. Wenn alle 8 Millionen Geimpfte mit dem Virus Kontakt gehabt hätten, wäre dieser Anteil aussagekräftig. Weil aber sicher nicht alle dem Virus ausgesetzt waren, sondern ein viel geringerer Anteil, ist die Zahl von 0,16 Prozent völlig nutzlos. Was soll man mit dieser Zahl anfangen? Schlimm genug, wenn das Ministerium solche Zahlen herausposaunt, wohl um zu suggerieren, dass die Zahl der Infektionen, zu denen es trotz Impfung kommt, vernachlässigbar ist. Dass aber selbsternannte „Qualitätsmedien“ die Zahlen einfach im Echomodus wiederholen und vervielfältigen, anstatt sie kritisch zu hinterfragen, ist wirklich ein Armutszeugnis.

Das Schlimme ist, dass man leider viele solche Beispiele finden kann, aufgrund derer man an der Qualität der Medien in Deutschland zweifeln muss. Die Mittelmäßigkeit hat System. Sie ist die Regel, nicht die Ausnahme. Hier und da gibt es unter dem ganzen Müll der Veröffentlichungen zwar auch noch Perlen, aber es ist schon mehr ein Glücksfall, wenn man auf solche stößt.

Kein solcher Glücksfall war der gestrige Abend. In einer Unterhaltungs-Talkrunde im öffentlich-rechtlichen TV wurde da dem erstaunten Zuschauer mitgeteilt, wie einer der anwesenden Talkgäste, ein junger Sänger, vor einigen Jahren auf die Idee kam, nackt eiszulaufen, weshalb er von der Polizei verhaftet wurde. Die Runde fand diese Anekdote ganz belustigend. Ich konnte dem nicht viel abgewinnen. Das war gebührenfinanzierte „Qualitätsunterhaltung“ auf leider billigem Niveau. Von einer preisgekrönten Moderatorin (das war sie) hätte ich mehr erwartet. Wenn die Gäste kein interessantes Gespräch hergeben, sollte man interessantere Gäste einladen, die wirklich etwas zu erzählen haben. Dann könnte man als Zuschauer oder als Zuschauerin nicht nur niveauvoll unterhalten werden, sondern dabei auch gelegentlich seinen Horizont erweitern. Leider gelingt das nicht mit 08/15-Personal, dessen größte Tat darin besteht, nackt von der Polizei verhaftet zu werden.