Zusammenhalten statt Menschheit spalten
Bereits zu Beginn der Corona-Pandemie, noch bevor die erste Welle der Verheerung durch Europa rollte, waren im deutschen Blätterwald Stimmen zu hören, die die große Systemfrage aufgemacht haben: wer kann das heraufziehende Virus wohl besser in den Griff bekommen? Die liberalen Demokratien oder die autoritären Staaten?
Manch einer glaubte da wohl noch, dass die Demokratien bei dieser Gelegenheit ihre Überlegenheit in der Seuchenbekämpfung unter Beweis stellen würden. Dass diese dabei in ihrer überwiegenden Zahl grandios gescheitert sind, ist spätestens in der noch gewaltigeren zweiten Infektionswelle klar geworden. Das aber liegt nicht an der Demokratie als solcher, wie manche Machthaber auf der Welt schon genüsslich unken, sondern an dem Personal der jeweiligen Gesellschaften, das auf breiter Front kläglich versagt hat, von der Politik über die Medien und die Wissenschaft bis hin zur normalen Bevölkerung. Auch autoritäre Staaten können in der Pandemie scheitern (und tun es), während es Demokratien gibt, die in der Bekämpfung des Virus erfolgreich sind. Es hängt, wie so oft, an den Menschen, die an den entscheidenden Stellen sitzen. Sie entscheiden darüber, ob die Bedrohung von Anfang an ernst genommen wird, und ob frühzeitig und entschlossen konsequente Maßnahmen ergriffen werden. Wenn aber das Personal versagt, hat man von Anfang an verloren. Dann ist ein Land nämlich gar nicht erst auf das Problem vorbereitet, und wenn das Problem da ist, wird zu lange gezaudert und zu spät und zu schwach gehandelt. Das ist keine Frage von autoritär oder demokratisch. Das ist eine Frage des Realitätssinns und der Entschlossenheit. Beides kann und muss es auch in Demokratien geben. Schließlich ist eine Demokratie keine Schönwetterveranstaltung, die sich bei Sturm auflösen darf. Sie muss auch bei schlechtem Wetter funktionieren und die Menschen schützen, so gut es geht.
Aber darum geht es mir hier gar nicht. Mir geht es um die Frage, wie Menschen dazu kommen, sich am Vorabend einer globalen Bedrohung, die die ganze Menschheit in Gefahr bringt, den Luxus ideologischer Grabenkämpfe zu erlauben. Wie sehr müssen diese Leute von Ideologiefragen besessen sein, wenn sie sogar noch unter dem Eindruck einer tödlichen, weltweiten Gefahr in ihren ideologischen Schützengräben hocken, um von dort aus die Menschheit zu spalten. Das wäre unter normal denkenden Menschen eigentlich der Moment, wo man ideologische Fragen zurückstellen und pragmatisch über alle physischen und geistigen Grenzen hinweg zusammenarbeiten sollte. Wo man alles daran setzen sollte, gemeinsam Leben zu retten und einander zu unterstützen, wo immer es geht. Aber normal zu denken ist für manche ganz offensichtlich zu viel verlangt.
Die Werte der westlichen Welt?
Man hört in der letzten Zeit immer wieder, wie westliche Politikerinnen und Politiker ihre Werte wiederentdecken und sie voller Inbrunst beschwören. Ich frage mich schon die ganze Zeit, welche Werte das wohl sein mögen. Bis jetzt habe ich noch keine schlüssige Antwort gefunden. Hier sind einige von den Möglichkeiten, die mir bisher in den Sinn gekommen sind:
Kandidatenliste „Werte der westlichen Welt“
- In der Manier eines Weltadels die Ressourcen dieser Welt unter sich aufteilen, ebenso ihre Institutionen
- Sich den eigenen Bauch vollschlagen und auch noch die Reste wegwerfen, während andere hungrig zuschauen müssen
- Die eigenen Interessen auf Kosten anderer durchsetzen
- Durch nicht-nachhaltiges Wirtschaften die Zukunft der Welt verbrennen
- Kriege vom Zaun brechen, die Hunderttausende nicht-privilegierte, d. h. nicht-westliche und daher nicht-wichtige Menschen das Leben kosten
- Regime-Change-Politik betreiben und Staaten in blutige Bürgerkriege stürzen, jahrelanges Elend inklusive
- Sich für Rechtsbrüche blind stellen, die von guten Partnern begangen werden, oder von einem selbst
- Unliebsame Wahrheiten ausblenden
- Durch die Verbreitung von Halbwahrheiten lügen, um missliebige Konkurrenten aus dem Weg zu räumen
- Durch die Verbreitung von Unwahrheiten lügen, zu dem gleichen Zweck
Wie mir scheint, könnten das die Werte zumindest für die Werktage sein, an denen der Westen fleißig versucht, die Geschicke der Welt in für ihn nutz- und gewinnbringende Bahnen zu lenken. Sonntags gibt es vielleicht noch andere, besser klingende Werte, die in die Kameras hinein beschworen werden. Aber die sind nur dafür da, um sich selbst, also um den real existierenden Egoisten einzureden, sie seien gute Menschen. Ich würde mich nicht darauf verlassen, dass solche Werte ernst gemeint sind.
Alphatiere im Impfdschungel
Heute wurde vermeldet, dass die USA bereits die Hälfte ihrer Erwachsenen gegen das Virus SARS-CoV-2 geimpft hat. Es ist erstaunlich, was man auf diesem Gebiet schaffen kann, wenn man keine Impfstoffe exportiert, sondern alles für sich behält. Erstaunlich auch, dass dieser unverhohlene Impfegoismus kaum von anderen westlichen Ländern kritisiert wird. Die scheinen die Sache wohl für normal zu halten — oder gar nichts anderes mehr von der „America first“-Nation zu erwarten.
Bezeichnend ist: gerade die Länder, die die radikalsten Vertreter einer freien Marktwirtschaft sind, legen auch einen extremen Impfegoismus an den Tag. Sie sind nicht bereit, Impfstoffe mit anderen Ländern zu teilen. Sie führen sich auf wie Alphatiere im Dschungel, die sich als Erste an einer erlegten Beute sattfressen dürfen. Erst danach gibt es auch etwas für die anderen. Und sie haben dabei noch nicht einmal ein schlechtes Gewissen, weil sie denken, es sei ihr vornehmstes Recht, so zu handeln.
Die COVAX-Initiative, die den ärmeren Staaten einen fairen Zugang zu den Impfstoffen ermöglichen soll, ist nicht viel mehr als ein Feigenblatt. Sie ist unterfinanziert und ihre Ziele sind zu wenig ambitioniert. Nur 2 Milliarden Impfdosen sollen noch in diesem Jahr an die teilnehmenden Länder gehen. Das Ziel ist niedrig gesteckt. Lediglich 20% der Bevölkerung sollen in den betreffenden Ländern immunisiert werden. Viel zu wenig, um diese Pandemie wirklich zu beenden.
Um letzteres zu erreichen, hätte man längst massiv in die Produktion der zugelassenen Impfstoffe einsteigen müssen. Jede Firma, die in der Lage ist, die Impfstoffe in hoher Qualität herzustellen, müsste genau das jetzt tun: produzieren, produzieren, produzieren. Die Aufgabe der reichen Länder wäre es, den Weg dafür freizumachen (Freigabe der Patente) und die Produktion massiv zu finanzieren.
Dazu ist der Westen nicht bereit. Auch Deutschland nicht. Wir beharren weiter auf den Patenten und hoffen, dass der Markt den lebensrettenden Impfstoff der Welt irgendwann schon noch bringen wird. Und verweisen auf COVAX. Es ist bereits jetzt abzusehen, dass diese Verweigerung Hunderttausende von Menschen das Leben kosten wird. Das ist unterlassene Hilfeleistung (unter normal denkenden Menschen ein Verbrechen) im Mäntelchen der Philanthropie.
Das Problem ist: in unserer Brust schlagen zwei Herzen. Ein kleines und ein großes. Das kleine Herz schlägt für unsere Mitmenschen. Mit ihm wollen wir uns für andere einsetzen, ihnen helfen, wenn sie in Not sind, gerecht und fair mit anderen umgehen. Ganz anders das große Herz. Das schlägt nämlich nur für uns selbst. Es möchte, dass unsere Schäfchen im Trockenen sind, auch wenn das heißt, dass die anderen dann im Regen stehen. Es flüstert uns unablässig ins Ohr, dass es schon okay ist, „auch mal“ an sich selbst zu denken.
Wir haben aber nicht nur zwei Herzen, wir haben auch zwei Brillen, mit denen wir die Welt betrachten: eine rosarote und eine dunkle. Durch die rosarote Brille betrachten wir uns gerne selbst. Mit ihr sieht unser kleines, menschenfreundliches Herz riesengroß aus, während von dem großen, eigennützigen Herz gar nichts mehr zu sehen ist. Mit der dunklen Brille betrachten wir gerne missliebige Mitmenschen, seien es ungeliebte Verwandte, Nachbarn, Kollegen oder Konkurrenten. Auch unser Bild von Fremden, die wir nur aus den Medien oder aus dem Internet kennen, kommt oft von dieser Brille. Das, was wir über diese Menschen sehen oder lesen, ist oft schon dunkel vorgefiltert. Durch unsere eigene dunkle Brille betrachtet, bleibt dann gar kein gutes Haar mehr an ihnen. Sie werden in unserem Auge zur Schlechtigkeit in Person, wahlweise sind sie für uns dumm, schwach, faul, aggressiv oder bösartig. Alles, was gegen sie sprechen könnte, auch wenn es nur in unserer Vorstellung existiert, erscheint uns durch diese Brille riesengroß. Was aber für sie sprechen könnte, das sehen wir meist gar nicht mehr, oder es wird noch etwas Negatives, Bösartiges dahinter vermutet.
Wie bei dem gehässigen Gerede über eine russische und eine chinesische „Impfdiplomatie“. Sicherlich versuchen die beiden Länder mit der Lieferung von Impfstoffen auch, ihre internationalen Beziehungen zu verbessern. Aber dass sie mit ihren Impfstoffen auch einen essentiellen Beitrag zur Beendigung der Pandemie leisten, dass sie damit Menschenleben retten und dies sicherlich auch wollen, kann man doch nicht in Abrede stellen. Es ist ein Ausdruck des kleingeistigen Konkurrenzdenkens der westlichen Staaten gegenüber diesen beiden Ländern, dass sie das nicht anerkennen können. Es kommt einem fast so vor, als ob es manchem körperliche Schmerzen bereiten würde, wenn er zugeben müsste, dass etwas Positives aus Russland oder China kommt. Das ist ein Beispiel von Dutzenden, die zeigen, wie sehr sich der Westen schon im Gedankennetz eines neuen kalten Krieges verstrickt hat. Nur er selbst hat es noch nicht gemerkt, weil er sich selbst so gerne durch die rosarote Brille besieht.
Eines ist doch klar: in der Pandemie sollte die ganze Menschheit über alle ideologischen Differenzen und Grenzen hinweg zusammenarbeiten. Alle sollten zusammen an einem Strang ziehen, um dieses Virus zu besiegen, mindestens aber so viele Menschenleben wie möglich zu retten. Leider muss man konstatieren, dass zumindest der Westen dazu mehrheitlich nicht bereit ist, und geistig offensichtlich auch nicht in der Lage.
Eine Pandemiebekämpfung ohne ideologische Scheuklappen ist mit dem Westen nicht zu machen. Auch wenn es Menschenleben kostet. Lieber werden Menschen geopfert, als ideologische Bedenken zurückzustellen. Dass das ganze auch nach hinten losgehen kann, ist kein Geheimnis. Der westliche Egoismus kann sich sehr schnell als Bumerang erweisen, der in Gestalt von Virusmutationen, gegen die keiner der aktuellen Impfstoffe mehr hilft, zurückkommt. Es ist ein Spiel mit dem Feuer.
Ich vermute sogar, dass die Verantwortlichen das bereits einkalkuliert haben. Nicht umsonst wird bereits darauf hingewiesen, dass wir noch viele Jahre lang mit Impfungen gegen diverse Varianten dieses Virus werden leben müssen. Für die Rechteinhaber an den Impfstoffen wird die Pandemie zum Geschäft ihres Lebens.
Freier Markt und ökonomischer Darwinismus
Thesen
- Der freie Markt ist bestimmt durch Angebot und Nachfrage
- Außer dem Recht auf Freiheit, dem Recht auf Eigentum und dem Recht, Verträge zu schließen, werden weitergehende Regulierungen abgelehnt. In Verträgen können Rechte für die Vertragsdauer oder sogar darüber hinaus abgetreten werden.
- Die Angebote auf dem Markt sind nicht statisch, sondern unterliegen Veränderungen durch die Anbieter
- Die Veränderungen können sowohl stetig (graduell) als auch sprunghaft (disruptiv) erfolgen
- Anbieter, die ihre Angebote besser an die Nachfrage anpassen, sind erfolgreicher als andere
- Die weniger erfolgreichen Anbieter stehen unter Druck, sich ebenfalls anzupassen. Wenn das nicht gelingt (z. B. aus Mangel an Ressorcen (Geld, Wissen, …) oder aufgrund von Fehleinschätzungen) droht ihnen der Abstieg, in günstigen Fällen in ein Nischendasein, im schlimmsten Fall in das ökonomische Aus.
- Der Wettbewerb der Anbieter führt zu einem ökonomischen surviving of the fittest, zu einem ökonomischen Überleben des am besten Angepassten
- Auf diese Weise findet eine Entwicklung statt. Der freie Markt ist ein evolutionäres System, das sich durch die Veränderung (Variation) des Angebots weiterentwickelt. Die Nachfrage übernimmt dabei die Rolle einer Auslese, die auf die Angebote einen Selektionsdruck ausübt.
- Die Evolutionsprinzipien von Variation und Selektion spiegeln sich in den Marktprinzipien wider: Nachfrage = Selektion, Veränderung des Angebots = Variation
- Die Variation ist der Motor der Entwicklung, die Selektion das Steuerrad, das die Richtung der Entwicklung bestimmt
- Die Nachfrage ist nicht statisch, sie verändert sich ebenfalls. Das entspricht der biologischen Evolution, in der sich nicht nur Organismen einer Spezies verändern, sondern auch die Umweltbedingungen (klimatische Faktoren, Verfügbarkeit an Nahrung, Druck durch Beutegreifer, etc.) und damit die Selektion.
- Die Forderung nach einem freien Markt entspringt einem (bewussten oder unbewussten) ökonomischen Darwinismus
- Weil das Ökonomische ein Teil des Sozialen ist, ist jeglicher ökonomische Darwinismus auch eine Form von Sozialdarwinismus
- Es gibt verschiedene Formen von Sozialdarwinismen. Sie sind dadurch gekennzeichnet, dass darwinistische Prinzipien (Entwicklung durch Variation und Selektion) auf Aspekte des Sozialen angewendet werden.
- Für einen Sozialdarwinismus ist es nicht entscheidend, ob darwinistische Prinzipien auf alle sozialen Bereiche angewendet werden. Das wäre eine zu eingeschränkte Sichtweise. Es genügt, wenn darwinistische Prinzipien für einen sozialen Bereich gefordert werden, um von einem Sozialdarwinismus zu sprechen.
- Es ist nicht angebracht, den freien Markt als eine Ausprägung eines milden Sozialdarwinismus zu betrachten: der freie Markt führt zu Krankheit und zum frühzeitigen Tod von Menschen, die sich keine angemessene Bildung, Nahrung, Wohnung und Gesundheitsversorgung auf dem Markt leisten können. Die Ablehnung von Regulierungen zum Arbeits-, Umwelt- und Verbraucherschutz führt ebenfalls zur Schädigung der Gesundheit von Menschen.
- Analog zur biologischen Evolution führt der freie Markt zu einer Entwicklung. Er baut etwas auf, er organisiert ganze Wirtschaften, aber er tut das zu einem unmenschlichen Preis. Wie in der biologischen Evolution viele Lebewesen als Verlierer auf der Strecke bleiben, passiert genau das auch auf dem freien Markt.
- Die Veränderungen auf dem freien Markt wie in der biologischen Evolution sind bisweilen disruptiv. Das führt zu ganzen Artensterben in der Biologie, beziehungsweise zum Sterben ganzer Wirtschaftszweige im Falle des Marktes.
- Aus den Trümmern heraus blühen die Systeme zwar wieder auf, und es ensteht etwas Neues. Manche Ökonomen sprechen auch vom Prinzip der schöpferischen Zerstörung. Dabei ignorieren sie jedoch, dass es bei dieser Zerstörung auch um das Wohlergehen, die Gesundheit und das Leben von Menschen geht, oder sie halten es nicht für wichtig.
- Statt die Freiheit des Marktes wie ein goldenes Kalb anzubeten, sollten wir auf eine entschiedene, von Vernunft und Menschlichkeit geleitete Regulierung des Marktes setzen, um dafür zu sorgen, dass seine wilden Kräfte gezähmt werden und allen Menschen zugute kommen
- Es braucht starke, demokratisch organisierte Gemeinschaften, die einerseits jedem Individuum weitestmögliche Freiheitsrechte garantieren und andererseits dafür sorgen, dass jeder in angemessener Weise am Wirtschaftserfolg teilhat und ein menschenwürdiges Leben führen kann
- Die Gemeinschaften müssen bei der Regulierung der Märkte weltweit zusammenarbeiten, anstatt sich mit unterschiedlichen Regulierungen gegenseitig Konkurrenz zu machen
Das Leben ist kostbar
Vor ein paar Jahren war ich für eine kleine Herbstwanderung am Main. Der Weg führte zuerst durch die Weinberge, später dann ging es hinauf auf einen Höhenweg, der sich zwischen Wald und Feldern hindurchschlängelte.
Der Anblick der herbstlich verfärbten Bäume erinnerte mich daran, dass nicht nur das Leben vergänglich ist, sondern mehr noch: dass das ganze Leben auf der Erde irgendwann einmal vergehen wird. Wenn die Sonne älter wird, wird sie auch heißer, bis irgendwann das Leben auf der Erde schließlich unmöglich wird. Spätestens wenn sich unser Zentralgestirn zu einem Roten Riesen aufbläht, ist es mit dem Leben auf der Erde endgültig vorbei. Gut möglich, dass die ganze Erde von der Sonne verschluckt wird und schlichtweg verdampft. Und wenn es die Menschen nicht schaffen sollten, den Planeten zu verlassen oder die Erde als Ganzes mit Hilfe technischer Mittel zu retten, dann wird das auch der Untergang der letzten Menschen sein.
Das alles liegt zwar noch in einer fernen Zukunft, aber trotzdem wird es irgendwann einmal soweit sein. Die Frage ist deshalb: ist angesichts dieses finalen Szenarios das Leben der Erdbewohner sinn- und wertlos? Ist all ihr Streben umsonst?
Sicher nicht. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: gerade weil das Leben vergänglich ist, gerade weil es auf der Erde irgendwann einmal enden wird, ist es etwas Kostbares. Es ist nicht vergeblich.
Insbesondere ist das Leben viel zu kostbar, um es einfach zu verschwenden. Zu kostbar, um sich mit Menschen abzugeben, die die Dummheit mit Löffeln gefressen haben, oder die Herzlosigkeit, oder gleich beides. Zu kostbar, um die Zeit einfach in einer Platonschen Höhle namens Fernsehen oder Internet totzuschlagen. Was das allein für ein Begriff ist: die Zeit totschlagen! Zeit totschlagen, das heißt nichts anderes als Lebenszeit totschlagen. Das sollte man sich öfters mal vergegenwärtigen. Es wäre besser, etwas mit lieben Menschen zu unternehmen, sich gegenseitig Lebenszeit zu schenken, füreinander da zu sein. Oder auch mal einfach für sich selber da zu sein, statt immer nur für andere zu funktionieren.
Die hohe Kunst ist, etwas zu hinterlassen, das bleibt, solange es Menschen gibt. Das Leben der Menschen zu verbessern oder zu verschönern, ihnen etwas zu geben, das ihren Geist erweitert, das sie wachsen lässt und aus der Verkümmerung befreit. Etwas, das sie in ihrem tiefsten Inneren berührt. Auch wenn es irgendwann wieder verschwindet, weil die Menschheit aufhört zu existieren: dann war es trotzdem nicht umsonst.
Die geistigen Tiefebenen des Westens
In den Ländern der westlichen Denksphäre ist immer viel von Freiheit die Rede. Es ist der vornehmste Wert in diesem Teil der geistigen Landkarte.
Aber welche Freiheit ist da gemeint? Das ist leider nicht mehr ganz so vornehm. Es ist nichts anderes als die freie egoistische Entfaltung des Einzelnen.
Das ist schön für die Starken, die sich leicht gegen andere durchsetzen können. Und wenn jemand zu schwach ist, um im freien Wettbewerb mit den Starken zu bestehen? Dann heißt es: Pech gehabt! Selber schuld!
So einfach ist die Sache in den geistigen Tiefebenen des Westens. Erst macht man Regeln, die die Starken begünstigen. Dann schiebt man den Schwachen die Schuld für ihr Versagen in ihre eigenen Schuhe.
Gut und schlecht in einem
Überall, wo es Menschen gibt, gibt es gute und schlechte Menschen.
Auch dann, wenn es nur ein einzelner Mensch ist.