Fehlertoleranz

Fehler zu machen, ist ganz normal. Warum tun dann fast alle so, als ob sie niemals Fehler machen würden? Das ist völlig realitätsfern. Und auch ganz und gar unnötig.

Wir müssen im Leben akzeptieren, dass Fehler gemacht werden. Wir müssen fehlertoleranter werden. Fehler müssen behoben und die Folgen korrigiert werden, sie müssen auch durch günstige Rahmenbedingungen so weit wie möglich vermieden werden, aber wenn sie geschehen, müssen sie als etwas Normales und niemals ganz Vermeidbares hingenommen und korrigiert werden.

Freilich heißt das nicht, dass es in Ordnung ist, Fehler mutwillig in Kauf zu nehmen (etwa durch Schludrigkeit), oder Fehler sogar absichtlich zu machen (z. B. in Form von illegalen Handlungen), weil es dem Individuum gerade Vorteile bringt. Fehler sind nur dann akzeptabel, wenn sie trotz sorgfältigem und verantwortungsvollem Handeln und natürlich ohne Absicht geschehen.

Das bedeutet auch, dass Aktivitäten, die im Falle eines Fehlers zur Vernichtung der Menschheit führen können — ich denke hier insbesondere an die nukleare Abschreckung, oder an Biowaffenforschung –, gänzlich untauglich sind und schnellstens beendet werden sollten. Da Fehler immer möglich sind, ist bei solchen Aktivitäten auch die unbeabsichtigte Vernichtung der Menschheit jederzeit möglich. Wenn man es recht bedenkt, sind solche Verhaltensweisen ein gigantischer Irrsinn.

Zweierlei Menschen

Manche wollen die Wahrheit herausfinden. Andere wollen beweisen, dass eine bestimmte Sache wahr ist (weil sie daran glauben). Das ist natürlich ein gigantischer Unterschied. Während die einen offen für die Wahrheit sind, akzeptieren die anderen nur ein vorgefasstes Ergebnis. Sie akzeptieren nur die „Beweise“, die ihr von Anfang an gefasstes Vorurteil „bestätigen“. Alles, was dem widerspricht, wird einfach ausgeblendet und weggelassen.

Dass man Hypothesen gar nicht bestätigen kann, wird dabei geflissentlich ignoriert. Der unermüdliche Versuch der Falsifikation ist der einzig sinnvolle Weg zur Scheidung der brauchbaren Hypothesen von den unbrauchbaren. Dabei darf man nicht vergessen, dass selbst die Falsifikation keine absolut sicheren Ergebnisse liefert. Denn jede noch so gewissenhaft durchgeführte Falsifikation durch Auffindung eines Widerspruchs, der eine Hypothese widerlegt, wird sofort zu einer Erinnerung an eine Falsifikation. Und Erinnerungen sind prinzipiell unsicher. Sie sind grundsätzlich offen für Irrtümer oder gar Manipulationen.

Auch wenn das Prinzip der Falsifikation kein absolut sicheres Verfahren zur Gewinnung von Erkenntnissen liefert (noch nicht einmal in Bezug auf die verworfenen Hypothesen), ist es aus pragmatischen Gründen doch das beste, was wir haben. Jedenfalls besser als der irrationale Versuch, Hypothesen „bestätigen“ zu wollen. Darüber sollten wir nämlich längst hinaus sein.

Quizfrage IV

Was ist das größte Manko der Gegenwart? Antwort: Zu viel Subjektivität und zu wenig Objektivität.

Wenn sich das Subjekt subjektiv verhält, ist das keine große Kunst. Der Verlockung der Subjektivität kann man ganz leicht nachgeben. Nichts ist einfacher als das. Die Kunst ist, dieser Verlockung zu widerstehen und sich um Objektivität zu bemühen, auch wenn man sie nie ganz erreichen kann.

Letzten Endes bleiben wir immer Subjekte, und das ist auch nicht schlimm. Schlimm ist, wenn wir primitive Subjekte sind, die von Objektivität nichts wissen wollen, oder noch schlimmer: die ihre Subjektivität mit Objektivität verwechseln, indem sie ihre subjektive Sicht für objektiv wahr halten. Wir müssen Subjekte werden, die ihre Subjektivität zähmen, indem sie lernen, wo Subjektivität in Ordnung und wo Objektivität nötig ist.

Mehr Diplomatie wagen

Der Krieg darf kein Mittel der Politik sein. Es geht darum, Kriege abzuschaffen, nicht nur, sie zu begrenzen. Kein nationales Interesse lässt sich heute noch von der Gesamtverantwortung für den Frieden trennen. Jede Außenpolitik muss dieser Einsicht dienen. Als Mittel einer europäischen und weltweiten Sicherheitspolitik hat sie Spannungen abzubauen und die Kommunikation über die Grenzen hinweg zu fördern.

Willy Brandt in seiner Rede zur Verleihung des Friedensnobelpreises

Das war 1971. Und heute? Heute werden Militärexperten im deutschen Qualitätsfernsehen geradezu hofiert, wo sie einen Paradigmenwechsel hin zum Einsatz des Militärs als ganz normalem Instrument der Politik fordern dürfen, ohne dass kritisch nachgehakt wird. Gleichzeitig will Deutschland wieder Führungsmacht werden und zeigt einen geschichtsvergessenen Drang nach Weltgeltung, der schon eher an Wilhelm Zwo als an ein aufgeklärtes Land erinnert.

Und Europa? Sicherheitspolitisch hat Europa seit dem Ende des kalten Krieges gnadenlos versagt. Europäische Politikerinnen und Politiker haben den Kontinent unsäglich schlecht gemanagt. Wer kam nur auf die glorreiche Idee, eine europäische „Sicherheitsarchitektur“ unter Ausschluss von Russland aufbauen zu wollen, allein auf NATO und EU gegründet? Kam dieser grandiose Einfall womöglich aus Washington? Und warum waren unsere europäischen Politikgenies so amateurhaft dumm, bei diesem recipe for disaster mitzumachen? Hätten sie ihren amerikanischen Kollegen nicht einfach sagen können: vielen, lieben Dank, aber das hier ist unser Kontinent. Wir kümmern uns ab jetzt selbst darum. Der kalte Krieg ist vorbei, und wir wollen keinen neuen haben.

Aber auch ohne den negativen Einfluss aus den USA hätten es die EU-Größen vermutlich nicht besser gemacht. Ein selbstherrliches und selbstverliebtes Auftreten ist der EU leider alles andere als fremd, hinzu kommt ein mangelndes realpolitisches Vorstellungsvermögen, wo eine solche Politik hinführen kann. Die EU hätte es wohl auch ohne die USA geschafft, die Sicherheit des ganzen Kontinents zu zerrütten.

Zitat des Tages

Manchmal frage ich mich, ob die Welt von klugen Leuten regiert wird, die uns zum Narren halten, oder von Dummköpfen, die es ernst meinen.

Mark Twain

(Ich vermute, die Antwort ist kein Entweder-oder, sondern ein Sowohl-als-auch.)

Deja-vu

Oder: Am Vorabend der Revolution, reloaded

Gespräch unter wohlsituierten Anhängerinnen der grünen Partei:

Sagt die eine: Du, ich habe gestern gehört, dass es im Winter wegen des Gasmangels kein Brot mehr geben könnte. Winkt die andere ab und sagt: Das macht nichts. Ich kann auch Kuchen essen.

Der Hafen von Lesa am Lago Maggiore (Sommer 2022). Ein Lied von Konstantin Wecker kommt mir dabei in den Sinn: „Noch lädt die Erde ein“. Fragt sich nur, wie lange noch. Die Menschen sind ja eifrig damit beschäftigt, ihre eigene Zukunft zu verbrennen.

Planet der Lemminge

Wir erleben zur Zeit eine der selbstmörderischsten Generationen, die es je auf der Erde gegeben hat. Zwar sind wir mental gar nicht mal schlimmer als in den schlimmsten Zeitaltern vor uns, aber allein die technischen Mittel, die wir zur Selbstzerstörung haben und auch zu verwenden bereit sind, machen uns ziemlich einzigartig.

Wenn es in der Zukunft überhaupt noch Menschen auf diesem Planeten geben wird, dann nicht wegen uns, sondern trotz uns.

Fatal

Es war eine fatale Entwicklung, dass der Gattung Homo, und damit ausgerechnet den Affen, die Weltherrschaft in die Hände gefallen ist. Wie zu erwarten war, haben sie den ganzen Planeten in einen einzigen Affenstall verwandelt.

Goldene Zeiten

Wir leben in goldenen Zeiten. Um ganz genau zu sein: in einem goldenen Zeitalter der Dummheit.

Das schöne daran ist: ein goldenes Zeitalter der Dummheit kann auch ein goldenes Zeitalter der Philosophie sein. Denn nie ist es einfacher, etwas Klügeres zu denken, als in einer Zeit, in der dumme Gedanken Konjunktur haben.

Das Problem ist nur: denken kann man die klügeren Gedanken schon. Aber gegen die Flut der dummen Gedanken durchzudringen ist nach menschlichem Ermessen unmöglich. Man kann gegen den Strom aus Dummheit anschwimmen, aber seine Richtung ändern kann man nicht.

Nicht selten ist es auch so, dass man bei seinen Zeitgenossen nichts bewirkt, sondern erst in späteren Generationen. Dann ist das kluge Denken wie ein Setzling, der erst langsam zu einem Baum heranwachsen muss, bevor er Früchte trägt und seine Schößlinge verbreitet. Alles braucht seine Zeit. Leider auch und gerade eine Entwicklung zum Besseren. Eine Entwicklung zum Schlechteren ist oftmals wesentlich schneller zu haben.

Freilich gibt es in einem Zeitalter, in dem die Dummheit floriert, auch Einflüsse, die ein klügeres Denken behindern oder sogar unmöglich machen. Denn wer von fremden Gedanken überflutet wird, kann auch leicht in ihnen ertrinken. Gedanken sind ansteckend, insbesondere, wenn sie uniform sind und omnipräsent. Auf die Klugheit der Gedanken kommt es dabei leider nicht im Geringsten an. Quantität schlägt Qualität.

Wer in eine Zeit voller dummer Gedanken hineingeboren wird, hat es am allerschwersten. In den meisten Fällen bleibt dem unbedarften Individuum nichts anderes übrig, als die Dummheiten schlicht zu übernehmen. Das Denken von etwas grundsätzlich Anderem als dem, was man aus dem Umfeld kennt, in dem man schon von klein auf mental gebadet wurde, kann nur schwer aus sich allein heraus entstehen. Es braucht einen zündenden Impuls, der oft von außen kommen muss. Er kann auch von innen kommen, aber das ist schon ziemlich selten (tatsächlich muss die erste abweichende Idee in einer Gesellschaft bei einem Individuum originär von innen kommen; es können auch mehrere Funken sein, die an verschiedenen Orten und in verschiedenen Individuen unabhängig voneinander entstehen, zumal bei einer großen Population). Denken ist letztlich auch und vor allem eine Gemeinschaftsleistung. Es ist kein Werk, das in völliger Isolation von den Gedanken anderer geschieht. Es wird im Guten wie im Schlechten von anderen beeinflusst.

Nicht zuletzt bestehen Gedanken nicht unabhängig von unseren Gefühlen. Gefühle machen Gedanken, und Gedanken machen Gefühle. In einer Welt schlechter Gefühle wie Wut und Hass entstehen auch schlechte Gedanken, und umgekehrt. Sie können sich sogar gegenseitig aufschaukeln. So können schlechte Gefühle zu schlechten Gedanken führen, die wiederum noch schlechtere Gefühle machen, und so weiter.

So sind auch dumme Gedanken mit Gefühlen verbunden, etwa mit einem Gefühl der Wut, der Überlegenheit, oder schlicht mit dem Gefühl, dass ein Gedanke richtig ist. Wer dumme Gedanken bekämpfen will, darf deshalb die damit verbundenen Gefühle nicht außer Acht lassen.